KOKETTES MÄDCHEN

 

 

 

Patricia Kaas spielt im Hof des

Ludwigsburger Schlosses

 

Ein Lied auf ihrer neuesten CD "Le Mot de passe" ist dem Mädchen aus dem Osten gewidmet, dem Osten Frankreichs. Es erzählt von einer jungen Frau, deren Augen so tief blau sind, weil sie sich nach dem Meer sehnt, das man von ihrer Heimat aus nicht sehen kann, und deren Haare so blond glänzen, weil sich in ihrem Verlangen nach dem goldenen Licht von Marseille spiegelt. Dieses Mädchen ist sie selbst: Patricia Kaas, blond, blauäugig, zweiunddreißig Jahre alt, Chanson- und Popsängerin, geboren in der Nähe der französisch-deutschen Grenze, genauer: in Forbach/lothringen.

Und wie sie da so kokett lächelnd auf der Bühne in Ludwigsburger Schlosshof steht, im knappen Korsett, verlegen von einem Bein aufs andere steigt, die Arme um den Oberkörper schwingt, da spürt man, dass eben dies ihren Charme ausmacht: Sie ist ein Profi im Musikgeschäft und letztlich doch dieses Mädchen geblieben. Was hat sie nicht alles für Rollen gespielt auf den europäischen Showbühnen, die sie seit rund elf Jahren erfolgreich bereist - die der eleganten Diva, der rockigen Göre, der lasziven Verführerin.

Auch in Ludwigsburg schlüpft sie für einen Moment ins lange weiße Brautkleid, und ihren neuen Hit "Le Mot de passe" vorzustellen, und kommt ein paar Minuten später in transparent-elegantem Schwarz wieder auf die Bühne. Doch wirklich stark, überzeugend und sicher wirkt sie immer dann, wenn sie all dieses Drumherum vergisst, einfach tanzt und singt, mit ihrer kraftvollen eher tiefen Stimme, in der sich all die Frauentypen ganz zwanglos wieder finden; Hier kann sie sanft sein, rockig, verletzlich, sehnsüchtig, abgrundtief - und doch die bleiben die sie ist.

Auch bei diesem letzten Deutschlandkonzert ihrer aktuellen Tour erscheint die Stimme der Patricia Kaas so vielseitig wie eh und je. Das ändert sich selbst dadurch nicht, dass sie nicht nur von ihrer Band, sondern auch vom NDR Hannover Pops Orchestra unter der Leitung von George Pehlivanian begleitet wird. Dieses Arrangement gibt der Show einen etwas seriöseren Anstrich - auf der schlichten Bühne vor dem alten Ludwigsburger Corps de logis stehen zwischen den Musikern nur ein paar hohe Kerzenleuchter und bunte orientalische Glaslampen.

Es ermöglicht Patricia Kaas aber auch, ihre neuen Lieder live so zu präsentieren, wie sie auf der CD klingen, denn dort bilden Streicher, Bläser und Klavier den dichten klangreichen Hintergrund, der sich mit elektronischen Gitarrensoli, Percussions- und Synthesizerrhythemen perfekt verbindet. Auch ihre alten Hits bekommen so einen neuen Anstrich, den natürlich verzichtet Patricia Kaas nicht auf "Entrer dans la lumière" -wie schon früher markiert es Anfang und Schluss des Auftritts - "Les hommes qui passent", "Il me dit que je suis belle", "Ceux qui nŽont rien" und "Mademoiselle chante le blues".

Im Mittelpunkt aber steht die neue Platte, mit der die Französin auch in Deutschland wieder oben in den Charts platziert ist. Geschmackvoll unterstreicht das Lichtspiel auf und hinter der Bühne die herrliche Kulisse unter freiem Sternenhimmel und den mal balladesken, mal poppigen Charakter der Lieder. Das alles wirkt sehr harmonisch, zugleich entspannt und erstaunlich unangestrengt. Vielleicht gelingt es Patricia Kaas gerade deshalb, das Publikum im fast ausverkauften Schlosshof über zwei Stunden hinweg wirklich zu unterhalten, mitzureißen, zum Träumen und Tanzen zu verführen.

Und so fährt man anschließend ein wenig wehmütig nach Stuttgart zurück. Denn, keine Frage, auch vor dem hiesigen Neuen Schloss hätte sich dieses Konzert - wie ursprünglich geplant - gut gemacht. Die baden-württembergischen Politiker hielten aber, wie man weiß, Patricia Kaas für in "Rang und Würde" dem Ort nicht angemessen.

Das Mädchen aus dem Osten, so konnte man sehen, pfeift drauf und zeigt in Ludwigsburg, dass ihr, was Talent und Würde angeht, nur wenige das Wasser reichen können.

 

Stuttgarter Zeitung Montag 2.8.99 

Konzertbericht v. Petra von Olschowski